Alles starrt auf die Technik, aber das eigentlich Neue ist die Qualität der Zusammenarbeit
Einen Roboter? Eine Spezial-Maschine? Kann man kaufen. Geld? Kann man sich überall in der Welt leihen, und sei es in Saudi-Arabien. Wissen? Kann man sich im Internet herunterladen. Oder einen Spezialisten in Paris für zwei Stunden anheuern. Energie? Hat weltweit eine vergleichbaren Preis. Alle Produktionsfaktoren sind nun weltweit austauschbar geworden. Der einzige Erfolgsfaktor, wodurch sich Unternehmen noch voneinander unterscheiden können, wird die Fähigkeit, mit Wissen umzugehen. Und Umgang mit Wissen ist Umgang mit anderen Menschen, die wir unterschiedlich gut kennen, unterschiedlich gerne mögen, und mit denen wir unterschiedlich viele berechtigte Interessenskonflikte haben. Denn die Menschen streiten im Büro oder im Entwicklerteam nicht deshalb, weil sie böse Menschen sind. Sondern weil sie aus ihrer Aufgabe heraus unterschiedliche, berechtiget Interessen haben, und um die bessere Lösung ringen.
Jede Zeit hat ihr technologisches Netz, das den Wandel vorantreibt und den Wohlstand hebt, weil es Zeit und Ressourcen einspart. Die lassen sich dann für andere Bedürfnisse einsetzen – so funktioniert Wirtschaft. Die Dampfmaschine trieb Pumpen an, um Bergwerke zu entwässern – die Menschen konnten so mehr Kohle und Erz fördern; Dampf getriebene Spinnräder waren 200-mal produktiver als Hand-Spinnräder. Auch Eisenbahn, elektrischer Strom, das Auto und zuletzt der Computer haben mit ihren zusammengehörenden technologischen Netzen und Erfolgsmustern den Wohlstand auf ein neues Niveau getragen.
Der Ökonom Nikolai Kondratieff (1892 – 1938) hatte diese langen Zyklen erstmals beschrieben. Immer, wenn sich so eine grundlegende Innovation samt dazu gehörenden Verhaltensweisen durchgesetzt hatte, stotterte der Konjunkturmotor, weil es nichts mehr gab, was einen produktiver machte; es gab nichts mehr, wofür es sich lohnte zu investieren, deswegen sanken die Zinsen gegen Null und die Spekulationspreise für Aktien und Immobilien stiegen zuerst und krachten anschließend zusammen – sowie 1873 beim Gründerkrach nach dem Eisenbahnbau oder 1929 nach der Elektrifizierung. Demnach ist die Weltwirtschaft jetzt so instabil, weil die Zeit vorbei ist, in der uns Computer im großen Stil produktiver machten. Jetzt setzen nun alle auf eine neue Technik, um Technik A durch Technik B zu ersetzen und so weiter zu machen wie bisher: Industrie 4.0, technische Intelligenz, Big Data.
Doch hinter Maschinen, die sich selber steuern, mit Ersatzteilen und dem Lager kommunizieren – dahinter steckt vor allem die geistige Leistung von Menschen, die sich überlegen müssen, was etwas wann und wie können muss. Arbeit ist nicht mehr, mit Händen die materielle Welt direkt zu bearbeiten, sondern in der gedachten Welt eine Wertschöpfung zu leisten: Planen, organisieren, entwickeln, analysieren und entscheiden, gestalten, verstehen, was der Kunde meint; in der gigantischen Wissensflut die Informationen heraussuchen, die man gerade braucht, um ein Problem zu lösen.
Dabei hängt der Wohlstand nicht mehr so sehr von Einzelleistungen wie früher ab, sondern von der Produktivität von Gruppen, von deren Fähigkeit zur Zusammenarbeit. Weil der Einzelne ein Fachgebiet immer weniger überblicken kann, sind wir zunehmend auf das Wissen anderer angewiesen. Die nötige Teamarbeit erzeugt dabei ein vermeintliches Machtvakuum, weil nicht mehr klar zu sein scheint, wer das Sagen hat.
Die für Informationsarbeit nötigen, flachen Organisationsstrukturen und projektbezogene Teamarbeit vervielfältigen die Schnittpunkte in den Unternehmen und damit die Gründe für Interessenskollisionen und persönliche Spannungen, die nicht nur Zeit und Geld kosten, sondern auch die Beschäftigten krank machen. Wer Informationsarbeit nicht ausreichend effizient löst, der bekommt in Zukunft vordergründig ein „Kostenproblem“ – und wird vom Markt verschwinden. Unter diesem Veränderungsdruck bilden sich neue Verhaltensmaßstäbe heraus. Sie haben weniger mit Fachkompetenz oder Organisation zu tun, sondern damit, wie weit das Verantwortungsgefühl eines Menschen reicht und ob man ausreichend selbstbewusst ist, ohne Statussymbole und firmenöffentliche Machtbeweise auszukommen.
Hinter den Preisunterschieden gleicher Produkte verschiedener Firmen verbergen sich Produktivitätsunterschiede – und das sind künftig in erster Linie Verhaltensunterschiede. Kondratieff sagte, dass an den knappen Produktionsfaktoren die Innovationen entstehen. Knapp sind heute nicht so sehr Dinge – unsere Häuser sind alle gesteckt voll vom Keller bis in den Dachspitz hinein. Die Knappheit von heute ist immateriell: Zusammenarbeit, Gesundheit, Bildung, Vertrauenskapital und Berufserfahrung. Nötig sind: Transparenz statt Kungelei, Versöhnungsbereitschaft statt ewiger Fehden, Authentizität statt Blendung, Kompetenz statt Statusorientierung, Kooperationsfähigkeit statt Machtkämpfe, langfristige Orientierung statt Kurzfristigkeit, und eine Verantwortung, die über die eigene Karriere und die eigene Kostenstelle hinausgeht.
Wird die Welt vielleicht doch immer besser?
Autor: Erik Händeler
www.neuearbeitskultur.de
www.erik-haendeler.de
Literatur:
Erik Händeler, „Die Geschichte der Zukunft – Sozialverhalten heute und der Wohlstand von morgen (Kondratieffs Globalsicht)“, 10. Auflage 2015, Brendow-Verlag, 478 Seiten, 19,95 Euro.
Nikolai Kondratieff / Erik Händeler (Hrsg.)
Die langen Wellen der Konjunktur. Die Essays von Kondratieff aus den Jahren 1926 und 1928, herausgegeben und kommentiert von Erik Händeler.
Paperback, 160 Seiten, Marlon-Verlag, 9,95 Euro, ISBN 978-3-943172-36-2.