Sie scheinen aus dem Boden zu sprießen wie Blumen und Gräser im Frühjahr. Ist man auch ein Hidden Champion und zweifelt, ob die eigene Stellenanzeige überhaupt sichtbar ist, dann sorgen sie für Gewissheit: Personalvermittler. Denn sobald eine Beschreibung online geht, klingelt schon das Telefon: „Ich sehe, dass Sie einen Business Intelligence Consultant (o.Ä.) suchen. Ich bin Experte für die Suche nach Business Intelligence-Spezialisten und kenne mich v.a. an Ihrem Standort hervorragend aus!“ oder gar: „Hi Heike, this is John Doe from Peppermint search, London, and I am a specialist in finding Business Intelligence Consultants for Southern Germany“. Es werden sich noch viele Recruitingspezialisten melden, die oftmals v.a. eines gemein haben: einen Bestand mit hohem Anteil an durchschnittlichen Kandidaten und neuerdings auch: unerfahrenen Berufseinsteigern.
Doch damit sorgt die Recruitingbranche nicht für eine nachhaltige Lösung in Zeiten des Fachkräftemangels, sondern nur für teure Umverteilung: Man werbe Kandidat 1 von Unternehmen A ab und platziere ihn bei Unternehmen B. Die Konkurrenz macht das Ganze vice versa mit Kandidat 2. Wer profitiert? Nicht selten nur der Personalvermittler aufgrund der fälligen Provision.
Nach meiner sehr subjektiven und völlig unwissenschaftlichen Einschätzung hätten wir keinen Fachkräftemangel, wenn sich alle Mitarbeiter von Personalvermittlungsagenturen stattdessen in MINT-Disziplinen weiterbilden würden – ein klassisches Verteilungsproblem bzgl. menschlicher Kapazitäten.
Verstehen Sie mich bitte richtig, Personalvermittler haben absolut ihre Daseinsberechtigung! Gerade in beruflichen Nischen sind sie eine echte Hilfe. Auch wir arbeiten mit ihnen zusammen. Doch es braucht nicht diese Masse, die – um überleben zu können – nach jedem Strohhalm greift und selbst den arbeitslosen Buchhalter mit Excel-Erfahrung als Business-Intelligence-Crack verkauft. Denn das nützt weder den Unternehmen noch dem Kandidaten. Quer- und Berufseinsteiger haben auch so eine Chance und sind sogar erwünscht! Doch nicht, wenn wir als Unternehmen für die ausgiebige Einarbeitung und Umschulung neben dem zeitlichen Invest auch noch eine Provision in Höhe von mehreren tausend Euro stemmen müssen.
Wir haben nicht nur einmal Kandidaten ablehnen müssen, weil die Vermittlungsprovision das Zünglein an der Waage war: „Ja, das könnte schon passen. Es ist ein gewisses Risiko, doch mit der Provision im Nacken? Nein!“ Und damit schadet das exzessive Treiben der Personalvermittler wiederum auch manchem Kandidaten. Haben Talente, die ohne Umweg über Personalvermittler zu uns kommen, eine bessere Chance? Ein klares: ja! Und ich bin überzeugt davon, dass es vielen anderen Firmen auch so geht.
Man kann den Kandidaten den Rückgriff auf Recruiter ja auch kaum verübeln. Es ist eine schöne Selbstbestätigung, wenn man aktiv auf Jobchancen angesprochen wird. Die Vermittler versprechen einen bequemen Full-Service: von der Auswahl potentieller Arbeitgeber, über die Kontaktherstellung bis hin zur Organisation von Gesprächen. Und das Anschreiben spart man sich auch noch, Jackpot! Neben dem Fachkräftemangel ist dieser Komfort für Kanditen ein weiterer Dünger für die Ausbreitung des Unkrauts zwischen den Nutzpflanzen im Recruiting.
Was ist die Lösung? Klar: Investition in den eigenen Nachwuchs, Weiterbildung von Quereinsteigern, Aufbau einer guten Arbeitgebermarke und vieles mehr. Und sonst? Wir zahlen Berufserfahrenen in Mangelberufen inzwischen einen Bonus, wenn sie ohne Umweg über Personalvermittler zu uns finden. Vielleicht ist das ja ein kleiner Ansatz in der Unkrautbekämpfung.
Autorin: Heike Hornbacher
Senior HR Manager
DYMATRIX CONSULTING GROUP GmbH